ChatGPT feiert seinen dritten Geburtstag: Ein Rückblick
Ein Rekord nach dem anderen und trotzdem stand OpenAI noch nie so sehr unter Druck wie jetzt!

Vor genau drei Jahren drückte OpenAI den Startknopf für eine „Research Preview“, die die Welt veränderte. Heute nutzen 800 Millionen Menschen ChatGPT, doch zum Feiern bleibt Sam Altman keine Zeit. Google ist zurück, die Kosten explodieren und der unangefochtene Marktführer kämpft plötzlich um seine technologische Vorherrschaft.
Am 30. November 2022 begann alles mit einer schlichten Chat-Maske und einem unterschätzten Modell namens GPT-3.5. Was damals als Experiment startete, erreicht heute rund 10 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung. Doch der dritte Geburtstag von ChatGPT ist keine reine Siegesfeier. Während die Nutzerzahlen durch die Decke gehen, brennt im Hintergrund die Hütte: Google hat mit Gemini 3 technologisch gleichgezogen, wenn nicht sogar überholt, und die finanzielle Realität holt das Silicon Valley ein.
Der Urknall und der Rausch der ersten Jahre
Es dauerte exakt fünf Tage, bis die erste Million Nutzer erreicht war – TikTok brauchte dafür neun Monate. Diese Geschwindigkeit war kein Hype, sondern der Beweis für eine tektonische Plattenverschiebung in der Tech-Welt. Das erste Jahr stand ganz im Zeichen des Staunens: GPT-4 brachte im März 2023 Multimodalität (Verarbeitung von Text und Bild) und bestand das Bar Exam mit Bravour.
Das zweite Jahr brachte die Kommerzialisierung und strategische Tiefe. Die Integration in Apples Ökosystem im Juni 2024 öffnete die Türen zu Milliarden von iPhone-Nutzern. Gleichzeitig begann der Wettlauf um die Features: GPT-4o machte Echtzeit-Gespräche möglich und ließ die Grenze zwischen Mensch und Maschine weiter verschwimmen. OpenAI schien unantastbar, getrieben von einem „First Mover Advantage“, den Microsoft mit Milliardeninvestitionen zementierte.
Die Realität 2025: Wachstum um jeden Preis
Heute, Ende 2025, lesen sich die Zahlen wie aus einem Science-Fiction-Roman. 800 Millionen Menschen nutzen ChatGPT wöchentlich. Das Unternehmen wird nach dem Einstieg von SoftBank mit 300 Milliarden Dollar bewertet. Doch diese Dominanz ist teuer erkauft. Der Infrastruktur-Hunger der KI ist unersättlich. Über 650 Milliarden Dollar sind langfristig für Server und Rechenzentren verplant, während die Einnahmen zwar auf beeindruckende 13 Milliarden Dollar jährlich (ARR) gestiegen sind, aber die Kosten nicht decken. Das Problem: Nur etwa fünf Prozent der Nutzer zahlen für ein Abo. OpenAI blutet Geld, um das Wachstum zu finanzieren.
Der 18. November: Der Tag, an dem sich alles drehte
Die Party-Stimmung kippte vor knapp zwei Wochen. Am 18. November 2025 enthüllte Google Gemini 3 Pro. Die Zeiten, in denen Google der behäbige Riese war, sind vorbei. Das neue Modell integriert sich nahtlos in die Google-Suche, versteht Video und Code nativ und besitzt ein Kontext-Fenster von einer Million Token. Selbst Marc Benioff, CEO von Salesforce und jahrelanger ChatGPT-Nutzer, wechselte öffentlich die Seiten: „Der Sprung ist verrückt – Reasoning, Geschwindigkeit, Bilder. Ich gehe nicht zurück.“
Für OpenAI ist das der "Netscape-Moment". Technologische Parität ist keine Garantie mehr für die Marktführerschaft. Das interne Projekt „Shallotpeat“ zeigt, dass man sich in San Francisco der Gefahr bewusst ist: Die Konkurrenz schläft nicht mehr, sie jagt.
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Die Flucht nach vorn: GPT-5.1 und der App Store
OpenAI reagiert aggressiv. Mit dem sofortigen Release von GPT-5.1 versucht man, über die „User Experience“ zu punkten, wo die reine Rechenpower nicht mehr reicht. Neue Persönlichkeits-Modi („Friendly“, „Cynical“, „Professional“) sollen die Bindung zum Nutzer emotionalisieren. Noch wichtiger ist jedoch der strategische Schwenk zur Plattform. Ähnlich wie Apple beim iPhone will OpenAI ChatGPT in ein Betriebssystem verwandeln. Partner wie Spotify, Booking.com und Figma bauen nun echte Apps direkt in den Chatbot. Der Plan: Wenn man technologisch eingeholt wird, muss man sich durch ein unverzichtbares Ökosystem unersetzbar machen.
Das Ende der Alleinherrschaft
Drei Jahre nach dem Start ist die naive Begeisterung einem brutalen Verdrängungswettbewerb gewichen. Wir steuern auf ein Oligopol zu, in dem sich Google, OpenAI und das stark wachsende Anthropic den Markt aufteilen. Für den Nutzer ist das die beste Nachricht: Der Konkurrenzdruck zwingt die Giganten zu Innovationen im Monatstakt. OpenAI hat das KI-Zeitalter eröffnet, aber ob sie es auch in fünf Jahren noch anführen, entscheidet sich jetzt.


